Vietnam
Unsere Reiseroute: Hanoi > Halong Bay (Haiphong) > Hanoi > Flug nach Hue > Hoi An > Da Nang > mit dem Zug nach Qui Nhon > Nha Trang > Dalat > Saigon.
Vietnam ist etwas kleiner als die Bundesrepublik bei einer etwas größeren Einwohnerzahl:
Fläche: 331.689 km2- –zum Vergleich BRD 357.121 km2
3/4 der Fläche besteht aus Bergen und Hochebenen (höchster Berg Phan-xi-Pang 3.144 m). Der übrige Teil des Landes ist daher vergleichsweise dicht besiedelt.
Einwohner: ca. 91,5 Mio. (2012) – zum Vergleich: BRD 80 Mio
- Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in den Flussdeltas des Roten Flusses (im Norden) und des Mekong (im Süden).
- 88 % der Bevölkerung sind ethnische Vietnamesen
- Die Mehrheit der Vietnamesen bekennt sich zu keiner Kirche (ca. 81 %). Ca. 20 Mio. Buddhisten, 6 Mio. Katholiken.
BIP / Einwohner: 1.374 $ – zum Vergleich: BRD 43.742 €
Während der „freien“ Tage in Nha Trang habe ich ein bisschen recherchiert und die nachfolgenden Themen aufbereitet und dargestellt.
Die Kriege in Vietnam
Vietnam befand sich in den Jahren 1941 bis 1975 praktisch permanent im Kriegszustand. Vor diesem Hintergrund ist es fast erstaunlich, welchen Stand das Land heute erreicht hat. Die gesamte Wirtschaft, die Infrastrukturmaßnahmen waren bis 1975 komplett den Kriegszielen untergeordnet. Vietnam ist daher nur mit Kenntnis seiner Kriege richtig zu verstehen. Die Fremdherrschaft Vietnams geht aber bereits bis 1862 zurück.
Vietnam als französische Kolonie
1858 hatten französische Kanonenboote Da Nang angegriffen. Anlass waren Ausschreitungen der Bevölkerung gegen französische Missionare, die geschützt werden sollten (solche Kriegsgründe kommen einem bekannt vor). Ab 1882 musste Vietnam dann Land an Frankreich abtreten; die vietnamesischen Kaiser mussten die Errichtung französischer Protektorate akzeptieren. Die Landbevölkerung verarmte, eine Großgrundbesitzerschicht entstand. Die chinesische Minderheit arrangierte sich offenbar besser mit der neuen Kolonialmacht, jedenfalls gewannen sie die ökonomische Herrschaft.
In diese Zeit viel der Aufstieg von Ho Chi Minh (1890-1969), Sohn eines vietnamesischen Mandarin und sehr gut gebildet, hatte er in Frankreich Kontakt mit dem Kommunismus gehabt. Bereits 1929 einte er die kommunistischen Parteien in Vietnam (ein Aufstand 1930 schlug allerdings fehl).
Vietnam im zweiten Weltkrieg
Im zweiten Weltkrieg fiel ganz Indochina unter den Einfluss der Japaner (die Franzosen hatten in dieser Zeit andere Sorgen). Auch wenn die Franzosen zunächst formal die Verwaltung kontrollierten, handelte es sich um eine Art Doppelherrschaft in Vietnam. Die Japaner begannen das Land auszuplündern und hatten viel Reis aus dem Süden nach Japan gebracht und dort als Treibstoff für Militärfahrzeuge oder Kraftwerke verarbeitet. Traditionell wurde aber Nord-Vietnam seit der Jahrhundertwende aus dem Süden mit Reis versorgt. Diese Lieferinfrastruktur war damit nicht mehr vorhanden, als 1944/1945 eine Dürre im Norden und Überschwemmungen im Süden zusätzlich zu erheblichen Ernteausfällen führten. Dies kumulierte zu einer großen Hungersnot mit (je nach Quelle) 1 bis 2 Mio Toten, was 5-10 % der Gesamtbevölkerung ausmachte.
Die Kooperation der Franzosen mit den Japanern hatte angesichts der Allianzen im zweiten Weltkrieg schon etwas Merkwürdiges. Das fanden die Japaner irgendwann auch und überraschten die 30.000 Mann starke Kolonial-Armee der Franzosen im März 1945 mit einer Entwaffnung.
Ho Chi Minh war 1941 aus dem Exil zurückgekehrt und hatte die Widerstandsgruppen geeint. Mit diesen kämpfte er – nicht ganz erfolglos – gegen die Japaner. Dabei wurde er von den USA, seinem späteren Gegner, unterstützt (Parallelen hat es später in Afghanistan gegeben). Nachdem Japan 1945 den Krieg verlorenen hatte, konnte Ho Chi Minh das Machtvakuum füllen und rief am 25.08.1945 die Demokratische Republik Vietnams aus. Er berief sich dabei u. a. auf die Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776. Vietnam war damit die erste unabhängige Republik Südostasiens.
1945 folgten turbulente Zeiten:
- Auf der Postdamer Konferenz fiel Vietnam in den Herrschaftsbereich der Briten
- Nach Aufständen im Süden Vietnams mussten die Japaner gebeten werden, für Ordnung zu sorgen
- Im Norden marschierten noch 1945 chinesische Truppen ein, um die Japaner zu entwaffnen
- Die Franzosen erzwangen die Wiedererrichtung ihres Kolonialreiches im Süden Vietnams; am 05.10.1945 landeten französische Truppen in Saigon
Indochinakrieg
Der Griff der Franzosen auf Nordvietnam führte 1946 schließlich zum Beginn des Indochinakriegs.
Unmittelbarer Anlass für den Krieg war der Beschuss von Haiphong durch einen französischen Kreuzer, bei dem 6.000 – überwiegend – Zivilisten ums Leben kamen. Angeblich hatten die Franzosen Vietnamesen, die an einer Reisausgabestelle angestanden hatten, mit Truppen der Viet Minh verwechselt.
Nach anfänglichen militärischen Erfolgen der Franzosen, gelang es den Viet-Minh – auch mit Unterstützung des inzwischen kommunistischen China – die Franzosen aus den ersten nördlichen Provinzen zu vertreiben. Trotz erheblicher Unterstützung der USA erlitt die französische Armee 1954 eine vernichtende Niederlage. Die daraufhin geführten Friedensverhandlungen führten zur Teilung Vietnams entlang des 17. Breitengrades (nördlich der natürlichen Grenzen zwischen Nord- und Südvietnam, dem „Wolkenpass“). Die USA erkannten dieses Abkommen nicht an.
Der Indochina-Krieg fand mit nicht unwesentlicher Beteiligung von Deutschen statt. Es kämpften ca. 35.000 Legionäre für die Franzosen (etwa 2/3 aller Fremdenlegionäre). Rund 10.000 Legionäre starben insgesamt, davon waren etwa die Hälfte Deutsche. 1.400 Deutsche desertierten und kämpften für die Viet Minh weiter.
Das Ergebnis der Friedensverhandlungen – die Genfer Vereinbarung – stellte die von Ho Chi Minh ausgerufene Republik allerdings nicht wieder her. Die Viet Minh sollte sich lediglich zurückziehen. 1956 sollten dann Wahlen für ganz Vietnam stattfinden. Dazu kam es allerdings nicht. Unter Einfluss der Amerikaner wurde 1955 nach Scheinwahlen ein Premierminister ernannt, die Grenze zum Norden geschlossen und die vereinbarten Wahlen wurden verhindert. Die Amerikaner befürchteten einen Wahlsieg der Viet Minh und dann „ganz Südost-Asien an den Kommunismus zu verlieren;“ diese Auffassung wurde als Domino-Theorie bezeichnet und diente letztlich als politische Begründung für den amerikanischen Einstieg in den Krieg.
Der amerikanische Vietnam-Krieg
Der amerikanische Krieg schloss sich unmittelbar an, begann 1955 und endete 1975.
Die Viet Minh fühlten sich letztlich durch den Friedensvertrag (Genfer Vereinbarung) und durch die verhinderten Wahlen betrogen und versuchten, die von den USA eingesetzte Regierung in Süd-Vietnam zu stürzen und das Land wiederzuvereinigen.
Die Viet Minh fanden in der Bevölkerung Süd-Vietnams nicht zuletzt deshalb breite Zustimmung, weil das dort eingesetzte Regime unter Ngo Dinh Diem willkürlich agierte. Echte Gewaltenteilung gab es nicht. Bei der Postenvergabe wurden Katholiken aus dem Norden (Diem war Katholik) bevorteilt. Die traditionell toleranten Buddhisten – 90 % der Bevölkerung – wurden nur noch als Verein und nicht mehr als Religion anerkannt (später – 1963 – wurde in Hue die buddhistische Flagge verboten). Bergvölker wurden umgesiedelt, das Land enteignet und an meist katholische Anhänger übergeben. Indem das Regime Diem Verwandte und Anhänger in Leitungsämter hievte, zerstörte es die traditionelle dörfliche Selbstverwaltung (Kommunalwahlen wurden später ganz abgeschafft). Eine Kampagne „Denunziert die Kommunisten“ diente häufig dazu, unliebsame Personen unbefristet zu verhaften oder unter Hausarrest zu stellen. Die USA reagierten auf den Widerstand der Bevölkerung, in dem sie zunächst „nur“ Militärberater schickten, die das Militär auch im Bekämpfen von Aufständischen schulte.
Um ein Eingreifen amerikanischer Truppen zu verhindern, erhielten die Viet Minh nur politische (und keine militärische) Unterstützung durch die Regierung in Nord-Vietnam.Die Viet Minh führten dagegen in den Dörfern Verfahren zur Förderung der Eigenverantwortung und Umverteilung des Landes ein. Ende 1961 kontrollierten sie 75% der ländlichen Gebiete Südvietnams.
1962 erhöhte Kennedy die Anzahl der „Militärberater“ in Vietnam auf zunächst 16.575. in diesem Jahr flog die Air Force bereits 50.000 Luftangriffe auf vietnamesische Dörfer und setzt dabei schon jetzt Napalm ein.
Viel zu spät – erst 1963 – forcierten die Amerikaner einen Putsch des korrupten Diem-Regimes in Süd-Vietnam. Gleichwohl wurde dieser Putsch durch vietnamesische Offiziere später als Fehler beurteilt, weil er die USA noch stärker an Südvietnam gebunden hatte. Aus dem von Kennedy ursprünglich für 1965 vorgesehenen Abzug der Militärberater wurde nichts.
Das militärische Engagement der USA verlief bis dahin eher unauffällig und geheim unter Beteiligung des CIA. Politisch sollte der Kriegseinsatz vom US-Kongress abgesegnet werden. Mangels Kriegsanlass und bevorstehender Wahlen verzögerte sich das.
Ab September 1964 entsandte nun auch Nord-Vietnam offiziell Kampftruppen. Der Kriegsanlass war für die Amerikaner schnell gefunden: Das US-Kriegsschiff USS Maddox forschte die vietnamesische Volksarmee elektronisch aus (das hat also eine lange Geschichte …). Die Küstenwache entsandte darauf hin im August 1964 drei Schnellboote zur Maddox, die nun an einen Torpedoangriff glaubte und eines der Boote versenkte. Ein anderes US-Schiff meldete während eines Gewitters irrtümlich ebenfalls Torpedo-Angriffe. Dem US-Präsidenten Johnson wurde nur ein Teil des Funkverkehrs vorgelegt (nicht mehr den Irrtum über die vermeintlichen Torpedoangriffe). Daraufhin wurden Angriffe auf Hanoi befohlen.
Ab Februar 1965 begann das Bombardement auf Nord-Vietnam und die Verlegung sehr großer amerikanischer Truppenteile nach Vietnam. 1969 begann unter Nixon der Rückzug der Truppen. Im Zusammenhang mit erneuten Bombardierungen durch die Amerikaner kam es 1973 zu einem Waffenstillstand. Der Krieg war aber letztlich erst im Mai 1975 mit der vollständigen Eroberung des Südens durch die nordvietnamesischen Truppen beendet. Es starben 4 Mio. vietnamesische Zivilisten, 1,3 Mio. vietnamesische Soldaten sowie 58.000 US-GIs.
Die USA hatten das Gegenteil von dem erreicht, was sie erreichen wollten; ganz Indochina wurde kommunistisch regiert. Dies geschah zeitnah zur Entwicklung in Vietnam:
- Im April 1975 haben die Roten Khmer in Kambodscha die Macht übernommen
- Im Dezember 1975 folgte die Machtübernahme der Pathet Lao in Laos.
Der Chinesisch-Vietnamesische Krieg
Am 17.02.1979 marschierte die Armee der Volksrepublik China in Vietnam ein. Die Chinesen gaben diesem Einmarsch den beschönigenden Namen „Erziehungsfeldzug“ oder „Strafexpedition“. Vorausgegangen waren Grenzstreitigkeiten zwischen China und Vietnam. Es gab gegenseitige Schuldzuweisungen für Zwischenfälle an den Grenzen (die Chinesen meldeten 3.535 von den Vietnamesen, die Vietnamesen 2.158 von den Chinesen verursachte Zwischenfälle).
Am 17.02.1979 griffen die chinesischen Truppen jedenfalls an insgesamt 26 Stellen der 1.347 km langen gemeinsamen Grenze an. Obwohl China 200.000 Mann und ein Fünftel seiner Luftstreitkräfte einsetze, kamen sie gegen die Vietnamesen kaum voran. Erst nach massivem Panzereinsatz konnten die Chinesen nach 10 Tagen bis zu 40 km Geländegewinn verbuchen. Nach dreiwöchigem Gefecht mit sehr hohen Verlusten (40 bis 60.000 gefallene Vietnamesen) erklärten beide Seiten, den Krieg gewonnen zu haben. Die Chinesen zogen sich zurück. Anlass war letztlich der Einmarsch von Vietnams Truppen in Kambodscha Anfang 1979, um die Terror-Herrschaft der Steinzeit-Kommunisten um Pol Pot zu beenden, wodurch die Chinesen ihren Einflussbereich gefährdet sahen. Aus einem Gespräch mit einem unserer vietnamesischen Begleiter wurde deutlich, dass die Vietnamesen stolz auf diese Aktion sind, mit der sie im Ergebnis ein Volk befreit haben, ohne davon selbst einen Vorteil gehabt zu haben. Es sind allerdings Zweifel angebracht, ob sich die Vietnamesen auch ohne die chinesische Intervention so schnell aus Kambodscha zurückgezogen hätten (die letzten vietnamesischen Truppen wurden erst 1989 aus Kambodscha abgezogen).
Danach kam es zu weiteren Grenzverletzungen. 1987 drang eine ganze chinesische Division in den Norden Vietnams ein.
Seit 2001 ist der Konflikt beigelegt und die Grenzstreitigkeiten sind per Vertrag ausgeräumt. Ein weiterer Konflikt mit China besteht um die Spratly und Paracel-Inseln; dabei sind auch Brunei, Malaysia, Taiwan und die Philippinen beteiligt.
Die Nachkriegszeit
Die unmittelbaren Kriegsfolgen
Am Ende des Vietnam-Krieges lag das Land am Boden:
- 1 Mio Kriegswitwen
- fast 1 Mio Waisenkinder
- 200.000 Behinderte
- 200.000 Prostituierte
- 3,5 Mio Landminen und 300.000 Tonnen nicht explodiere Kriegsmunition
- 21 Mio Bombenkrater
Dazu kam die Belastung mit Herbiziden wie Agent Orange, die großflächig eingesetzt waren. Da die amerikanischen Chemie-Firmen mit der Produktion nicht nachkamen, erhöhten sie die Temperatur bei der Herstellung, was zu einem deutlichen Anstieg des Dioxin-Gehaltes führte. Die US-Hersteller hatten gegenseitig Geheimhaltung vereinbart, dass Dioxin innere Organe schwer schädigt. Damals wahrscheinlich unbekannt war die Erbgut-Schädigung durch das Dioxin, die bis heute ein großes Problem darstellt. Geschätzte 24.000 Quadratkilometer sind dauerhaft mit Dioxinen belastet. Gerade aktuell ging es in einem Zeitungsbericht in einer vietnamesischen Zeitung um den mit Dioxin verseuchten Flugplatz von Danang, dessen Boden komplett gereinigt werden soll (fast 40 Jahre nach Kriegsende). Der Flugplatz wurde damals von der US-Airforce genutzt.
Vietnam wurde von den USA nicht entschädigt. Im Gegenteil: 1993 musste Vietnams Regierung die Schulden des früheren Süd-Vietnams übernehmen. 2007 wurde erstmals überhaupt eine Entschädigung bewilligt, und zwar 400.000 Dollar für die Beseitigung der Kontaminierung des Flugplatzes in Danang (siehe oben). Der Betrag wurde 2009 verdoppelt. Entschädigungsklagen krebskranker Vietnamesen wurden von US-Gerichten abgewiesen.
Nach der Wiedervereinigung
Vor diesem Hintergrund begann die inzwischen allein regierende kommunistische Partei 1978 auch im Süden mit Verstaatlichungen und Umstellung der Landwirtschaft in Kooperativen. Diese Zwangsmaßnahmen führten zu massenhafter Flucht aus Vietnam (die Zahlen schwanken zwischen 500.000 und 1,5 Mio). Die – meist chinesischstämmigen – Vietnamesen flüchteten über den Pazifik (Ausgangspunkt war oft die Halong Bay); viele dieser Boat people erreichten ihr Ziel nicht, sondern ertranken (wahrscheinlich mehr als die Hälfte).Der planwirtschaftlich organisierte Norden traf auf den marktwirtschaftlich organisierten Süden, dessen Wirtschaft aber überwiegend vom Zustrom amerikanischen Geldes abhing. Rund 700.000 Süd-Vietnamesen waren bei Amerikanern beschäftigt gewesen und nun arbeitslos.
Ein Wirtschaftsembargo (bis 1994) und das Verhindern von IWF-Krediten durch die USA (bis 1993) wirkten als zusätzlicher negativer Verstärker. Wegen des Embargos gab es in Vietnam bis 1994 für den Individualverkehr z. B. keine Mopeds (nur Fahrräder), die Fischerboote hatten noch keine Motoren.
Die Unproduktivität der Staatsbetriebe, die kollektivierte Landwirtschaft, die Handelshindernisse und die massiven Umweltschäden führten zur weiteren Verarmung der Bevölkerung. Bis 1982 gab es Lebensmittelmarken. Das vietnamesische Volk war komplett unterernährt.
Die vietnamesische Wirtschaft
Wirtschaftsreformen
Erst 1986 wurden die ersten Reformen eingeleitet („Politik der Erneuerung“), die Ende der 90er zu greifen begannen. Anfang 1990 begann die Abschaffung der Kollektivierung der Landwirtschaft, die Zulassung von privaten Geschäften. Zeitgleich endete die internationale Isolation. Das Land öffnete sich für ausländische Investitionen. Die Versorgungslage der Bevölkerung verbesserte sich spürbar.
Unsere vietnamesischen Begleiter schilderten die Zeit bis 1990 als ziemlich dramatisch. Die Leute hatten zwar Geld, es gab aber nichts zu kaufen. Das hat sich bis heute völlig verändert. Wer Geld hat, kann alles kaufen. In – aus unserer Sicht – heruntergekommenen Vororten stehen kleine Autohäuser, in denen Luxus-PKW angeboten werden.
Auf dem X. Parteikongress 2006 wurde beschlossen, Vietnam bis 2020 zum Industrieland zu entwickeln. Dieses Datum wurde auch in vielen aktuellen Zeitungsberichten beschworen, in dem große Investitionsprojekte gepriesen wurden.
Landwirtschaft
Auch die Landwirtschaft hat an Produktivität deutlich zugelegt. Vietnam ist heute zweitgrößter Reis- und Kaffee-Exporteur. Etwa 65% der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft tätig.
Industrie
Entscheidend für das Wirtschaftswachstum ist die Industrie. Hergestellt werden insbesondere Textilien (an einer Seidensticker-Fabrik sind wir vorbeigekommen), Schuhe, Elektronik (um Hanoi haben wir zwei Werke von Canon, eines von Foxconn und eines von Panasonic gesehen), aber auch Autos; fast jeder Konzern unterhält in Vietnam Montagestätten.
Die Beziehung der DDR zu Vietnam
Kaffee
Die Entwicklung der Kaffee-Erzeugung zum zweitgrößten Exporteur hat Vietnam der DDR zu verdanken. Das „sozialistische Bruderland“ wollte seinen Kaffeebedarf decken, ohne wertvolle Devisen dafür ausgeben zu müssen. Die Anbauflächen für Kaffee wurden daher von 22.000 Hektar in 1980 auf 0,5 Mio Hektar heute vervielfacht.
LKW
Auch viele LKW hat Vietnam der DDR zu verdanken. Insbesondere 1990 hat Vietnam viele IFA-LKW im „Ausverkauf“ von der untergegangenen DDR erworben, weil diese im wiedervereinigten Deutschland praktisch nicht mehr zu verkaufen waren. In Vietnam sind diese LKW auch heute noch beliebt. Sie gelten als robust und man kann sie relativ leicht reparieren. Ersatzteile können selbst gebaut werden.
Ausbildung und Vertragsarbeiter
Insbesondere nach Ende des Vietnam-Kriegs sind viele Vietnamesen in die DDR gekommen, davon die meisten als sog. Vertragsarbeiter. Die wurden für Arbeiten angeheuert, für die in der DDR keine Menschen zu finden waren. Darüber hinaus wurden aber auch insgesamt ca. 10.000 Vietnamesen in der DDR ausgebildet. Zu diesem Kreis gehörten unsere vietnamesischen Begleiter. Es mussten schon in Vietnam bestimmte Prüfungen erfolgreich absolviert sein, um in die DDR zu dürfen. Es war also eher eine Elite, die diese Möglichkeit bekam. Nach der Ausbildung konnte sich eine Tätigkeit als Gruppenleiter für die vietnamesischen Vertragsarbeiter anschließen oder einfach die Rückkehr in das Heimatland.
Diese Vietnamesen fühlten sich damals in der DDR privilegiert. Sie wohnten frei und bekamen während der Ausbildung 270 Ost-Mark monatlich (so zumindest einer unserer Begleiter). Sie nutzten die Möglichkeit, in der DDR zu reisen (in den ohnehin schon preiswerten öffentlichen Verkehrsmitteln zahlten sie nur 25%) und andere Vietnamesen zu besuchen. Sie bauten so eine Art Netzwerk auf.
Nur einer unserer vietnamesischen Begleiter ist auch noch zur Zeit der Wende in der DDR gewesen und auch durch den Westen gereist.
Von der Ausbildung hatten die meisten nichts gehabt. Ein zum Maschinenbau-Ingenieur ausgebildeter Mann bedauerte, dass es bei seiner Rückkehr in Vietnam keine Maschinen und damit keine Arbeit gab. Ein anderer arbeitet heute hauptberuflich als Parkplatzwächter, ein weiterer hatte für die Armee gearbeitet. Diese als deutschsprechende Reiseleiter tätigen Vietnamesen sind inzwischen alle über 60. Allen gemeinsam war ein unglaubliches Detailwissen über ihr Land und dessen Geschichte.
Der Tourismus in Vietnam
Erst Ende der 90er begann der Tourismus in Vietnam eine Rolle zu spielen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass man sich erst seit 1997 völlig frei im Land bewegen kann (es besteht aber weiterhin Visa-Pflicht). Seit der Jahrtausendwende boomt der Tourismus. Dabei spielen nicht nur europäische Besucher eine Rolle. Insbesondere Asiaten fahren gern nach Vietnam, weil die klassischen „Strand-Urlaubsländer“ wie Phillipinen und Indonesien nach Terroranschlägen usw. nicht mehr als sicher gelten. Vietnam gilt dagegen als friedliches Land mit geringer Kriminalitätsrate.
Zahlen
Verlässliche Zahlen habe ich nur bis 2010 gefunden. Danach besuchten in diesem Jahr ca. 5 Mio. Touristen das Land (2004 knapp 3 Mio.). Davon stellen die Chinesen mit knapp 1 Mio. (2004 knapp 800.000) die größte Gruppe (vor Südkorea, USA und Japan mit jeweils knapp 500.000). Frankreich stellt die größte europäische Gruppe (2010 knapp 200.000).
Service
Die touristische Infrastruktur ist also noch relativ neu. Es wird gar nicht so einfach – bzw. unmöglich – sein, ausgebildetes Personal zu bekommen. Man muss sich nur vorstellen, dass die Beschäftigten in einem nach unseren Maßstäben Mittelklasse-Hotel jeden Arbeitstag in einen völlig anderen Kulturkreis eintauchen. Andere Benimm-Regeln, andere Haustechnik, andere Hygiene-Standards. Eine Service-Kraft an der Bar erzählte uns, dass sie sich eine Wohnung mit Eltern, Geschwistern und Großeltern teilt. Es war für sie unvorstellbar, dass unsere Töchter eigene Wohnungen haben.
In den von uns besuchten Hotels spricht das Personal aber mindestens ein paar angelernte Floskeln englisch. Die Aussprache verselbständigt sich dabei manchmal. Es dauert dann, bis man „Pu Du wans i dissit“ als eine Frage nach Dessert entschlüsselt.
Aber wo wir auch hingekommen sind, sind wir zuvorkommend und freundlich aufgenommen worden.
Beschallung
Fast allen besuchten Hotels war – und wenn es nur zum Frühstück war – gemeinsam, dass man mit fieser Musik beschallt wurde und das in einer Endlosschleife. Angesagt sind Dinge wie „Ricky King and his magic Guitar“. In unserem Hotel in Nha Trang lief seine Erfolgs-CD „Griechische Volkslieder oder was man dafür hält“; jede halbe Stunde ist Sirtaki dran. Nächstes Mal spendieren wir eine zweite CD. Auch wenn die Beschallung dezent erfolgt, ist eine Interpretation als subtile Form der Folter nicht abwegig.
Getoppt werden kann das allerdings durch Live-Musik. In Hanoi spielte ein heimischer Musikant zum Essen auf einem elektrisch verstärkten vietnamesischen Ein-Saiten-Instrument. Diese Bauart lässt nicht viele Variationen zu, erinnert entfernt an singende Säge. Trotz der Exotik kamen einem die Klänge bekannt vor: Der Solist intonierte freie Interpretationen von „Warum ist es am Rhein so schön“ und ähnlichen deutschen Volksliedern. Auch der Kanon „Bruder Jakob wurde einstimmig vietnamesiert. Ein schöner Versuch.
Der Fairness halber muss allerdings erwähnt werden, dass wir in Nha Trang Musik vom Feinsten hatten. Eine singende Klavierspielerin, die beides gut konnte, und ein Trio – zwei Gitarren, Kontrabass – die auf Zuruf fast alles spielen – und dreistimmig singen – konnten, was man von ihnen wollte.
Der Glaube der Vietnamesen
Verlässliche Zahlen über die Religionszugehörigkeit seiner Leute sind kaum zu bekommen. Schätzungen gehen von ca. 20 Mio Buddhisten und 6 Mio Katholiken aus; dies wären damit die größten Kirchen. 81% seiner Leute sollen Atheisten sein. Wenn man den Alltag beobachtet, hat man einen etwas anderen Eindruck:
Der Ahnenkult
Der Ahnenkult spielt eine entscheidende Rolle. In jedem Wohnhaus, was wir sehen, jedem kleinen Familien-Restaurant, gibt es einen kleinen Altar für die Ahnen. Das deckt sich mit den Erzählungen unserer vietnamesischen Begleiter. Auch in ihren Wohnungen gibt es kleine Altäre. Früher seien diese aufwändiger gewesen, wegen der geringen Größe der Wohnungen hat sich auch die Form der Altäre angepasst.
Wie viel vom Ahnenkult auf dem Buddhismus beruht, ist für uns schwer zu erkennen.Eine kleine Begebenheit im Restaurant in Hanoi: Eine Angestellte kniet vor dem Altar, legt die Hände wie zum Gebet zusammen, verbeugt sich und nimmt eine Frucht mit, die vielleicht in der Küche benötigt wird. Das ganze wirkte wie die Entschuldigung für die Wegnahme von Opfergaben.
Buddhismus
Uns stellt sich der Buddhismus in Vietnam wie folgt dar:
Der Glaube besagt, dass man nach seinem Tod unter der Erde weiterlebt. Es warten dort 10 Wächter, die wissen, ob man zu Lebzeiten ein guter Mensch war. Das bestimmt, wie gut man es da unten hat. Die 10 Wächterfiguren sieht man in vielen Pagoden meist 5 zur linken und 5 zur rechten Seite.
Wenn die Menschen beten, reicht es aus, dass einer aus der Familie zu einer Pagode geht; er kann als Vertreter für die ganze Familie gehen und die Wünsche vortragen. Er muss am Anfang des Gebetes aber immer den jeweiligen Namen sagen, damit die Götter wissen, um wessen Wünsche es sich handelt.
Aber allein kommt man unten nicht zu Recht. Die Nachfahren müssen für einen Sorgen. Sie überlegen, was die Ahnen unten wohl brauchen und kaufen dies aus Papier. Dafür gibt es extra Geschäfte. Beliebt ist natürlich vor allem Papiergeld, dann kann der Verstorbene selbst entscheiden. Diese Stellvertreter-Gegenstände werden verbrannt. Wichtig ist nur, dass Zettel mit dem Namen des Verstorbenen angebracht werden, damit die Sachen unten richtig zugeordnet werden können.
Bettelmönche wie in Thailand gibt es in Vietnam nicht. Die Mönche werden durch Opfergaben, insbesondere in Form von Geld, finanziert. Überall in den Pagoden gibt es entsprechende Möglichkeiten, Geld zu opfern.
Seine Leute übernehmen gern aus anderen Religionen. So wird Weihnachten überall gefeiert, Ostern und Pfingsten allerdings nur von den Christen. Weihnachten sind – bei allen – sogar Tannenbäume beliebt.Es werden drei Buddhas unterschieden: Der Buddha der Vergangenheit (als Gründer der Lehre), der Buddha der Gegenwart und der Buddha der Zukunft, der die Menschen in einigen Tausend Jahren erlösen soll.
Aberglaube
Was seinen Leuten gemeinsam zu sein scheint, ist der Aberglaube. In unserem Auto haben wir hinter der Frontscheibe eine kleine Buddha-Statue und auf dem Tacho soll ein kleiner Buddha-Aufkleber wahrscheinlich die Geister der Radar-Geschwindigkeitsmesser gütig stimmen.
Auch in den Tempeln und Pagoden gibt es viele Götter mit Sonderaufgaben, zum Schutz der Fischer, für Fruchtbarkeit, Gesundheit und immer wieder für Reichtum. Für diese Götter gibt es genauso Opfergaben und Räucherkerzen wie für die Buddhas.
Das Arbeitsleben ist nach unserem Kalender organisiert. Für wichtige Ereignisse, Heirat, Moped oder Hauskauf, wird allerdings ein guter Tag nach dem Mondkalender bestimmt. Dazu wird auch gern ein Wahrsager bemüht, der sich mit den guten Tagen auskennt.
Seine Leute und der Fußball
Wenn wir erzählt haben, dass wir aus Bremen kommen, war die Reaktion eigentlich immer gleich „wöda bämen“. Irgendwann haben wir verstanden, dass das unser Fußballverein sein sollte. Auffällig war zwar, dass sich alle Deutsch sprechenden Begleiter – teilweise sehr gut – über deutschen Fußball auskannten; die hatten ja hier gelebt. Wir haben noch viel über Rehagel und die alten DDR-Spieler gelernt. Aber auch seine Leute, die in den Hotels arbeiteten, kannten zumindest die Namen der deutschen Vereine. Für uns überraschend: die Bundesliga wird hier aufmerksam verfolgt. Wir haben durch Zufall im Hotel einen vietnamesischen TV-Sender gefunden, der gerade das Spiel Werder:Freiburg (0:3) übertragen hatte mit originärem vietnamesischen Kommentator. In einer ausschließlich von seinen Leuten besuchten Bar liefen zwei Fußballspiele: eines davon war Bundesliga. Das nenne ich mal Globalisierung.
Vietnam heute – exemplarische Betrachtungen
Politik und Medien
Vietnam ist unverändert ein kommunistisches Land. Darüber täuscht die 1986 eingeleitete Politik der Erneuerung nur wenig hinweg. Privatwirtschaft ist möglich, was aber nicht für die Industrien (Stahl, Bergbau, Energie, Zement usw.) gilt. Auch Eigentum an Grundstücken scheint möglich zu sein. Es war aber nicht genau herauszubekommen, ob das „echtes“ Eigentum ist oder eher ein zeitlich begrenztes Recht, eine Art Erbbaurecht (wie in Singapur).
Auch die Presse ist staatlich. Die Zeitung ist inhaltlich fast immer gleich aufgebaut: Auf den ersten beiden Seiten gibt es Berichte über den Abschluss von internationalen Kooperationen im Bereich Bildung, Wirtschaft, was auch immer. Meist wird sogar über Abkommen mit zwei verschiedenen Staaten berichtet. Dann folgen kritische Berichte über das eigene Land: wo muss sich das Volk mehr anstrengen, wo muss der Staat aktiv werden. Häufig werden auch ökologische Probleme thematisiert; das entsprechende Bewusstsein ist also da und wird „von oben“ offensichtlich auch geschärft.
So scheinen die Vietnamesen in vielen Fragen keine Ratschläge zu benötigen. Die Probleme sind bekannt, nur die Lösung ist nicht immer so einfach. Uns war z. B. die Verschmutzung des Wassers in der Halong Bay mit Müll aufgefallen. Zwei Wochen später stand in der Zeitung, dass die Fischer den Auftrag bekommen haben, die Halong Bay davon zu befreien.
Wirtschaft
Aktuell werden Kreditprogramme zur Ankurbelung der privaten Wirtschaft angekündigt. In vietnamesischen Zeitungen wurden Beträge von 2,38 Billionen Dollars allein zugunsten der Thien Thanh Group genannt, darüber hinaus haben Banken Kreditmittel in Höhe von 3,32 Billionen bereitgestellt (Quelle: Viet Nam News vom 26.03.2014). Hoffentlich ist da kein Fehler beim Umrechnen passiert …
Zurück zu kleinen Beträgen: Löhne und Gehälter werden an seine Leute grundsätzlich in bar ausgezahlt. Das gilt auch z. B. für Angestellte der internationalen Hotels. Der Durchschnittslohn beträgt in den Städten etwa 300 Euro. Eine Reinigungskraft in einem Hotel verdient etwa 200 Euro.
Das Hauptproblem ist, dass Kern-Industrien immer noch staatlich sind. Das von Vietnam selbst gesteckte Ziel, bis 2020 eine Industrienation zu werden, soll lt. einem UNO-Bericht nur schwer zu erreichen sein. Zu viele Bereiche sind ineffizient. Das muss wohl als klare Kritik an der Planwirtschaft bewertet werden. Aber immerhin: die staatliche Presse hat darüber berichtet.
Ebenso wurde darüber berichtet, dass die staatlichen Lobster-Farmen ihre Ziele nicht erreicht haben. Es hat einen 20(!!)-Jahresplan gegeben, der verfehlt wurde.
Es bleibt abzuwarten, wann sich Vietnam auch hinsichtlich der Industrien öffnet und die Planwirtschaft aufgibt.
Handelsstufen
Es gibt in Vietnam noch kaum Supermärkte. Die Versorgung für den Alltag erfolgt auf den großen Märkten und Markthallen oder bei den unzähligen kleinen mobilen und stationären Händlern an der Straße, wobei die meisten auf eine Warengruppe spezialisiert sind. Dabei gibt es offenbar sehr viele Handelsstufen:
In China-Town in Saigon unterscheiden sich die Geschäfte auf den ersten Blick kaum von anderen. Wir erhielten aber die Info, dass es sich nur um Großhändler handelt. Hier werden nur große Gebinde abgegeben. Kräuter in KG, Stoffe in Metern, Opfergaben in Kartons usw. Wenn in diesen kleinen Läden schon die Großhändler sitzen, muss es noch eine Handelsstufe darüber geben. Bei diesen Großhändlern kaufen jedenfalls die Händler auf den Märkten ein, bei den Händlern auf den Märkten die Straßenhändler (die ja nur jeweils wenig Ware mitführen können), die aber ihren Marktvorteil haben, weil sie näher an den Verbrauchern sind, und eine günstigere Kostenstruktur aufweisen (die Straßenhändler arbeiten illegal, zahlen also weder für einen Standplatz noch Steuern).
Bei den vielen Händlern an den Landstraßen können die Mopedfahrer (u. a.) Benzin literweise etwas teurer als an der Tankstelle kaufen (dort haben es die Händler in 20-Liter-Kanistern gekauft). Das hat aber den Vorteil, dass die Moped-Fahrer nicht aufpassen müssen und einfach ihren Tank leer fahren können, denn ganz egal, wo man ausrollt, wird man immer einen Liter Sprit kaufen können.
Infrastruktur
Schon im Juni 2010 wurde von der National-Versammlung der Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hanoi und Saigon beschlossen. Kosten: 56 Billionen Dollar. Ursprünglich war als Fertigstellung 2020 avisiert. Das darf aber bezweifelt werden; es gibt – soweit ersichtlich – noch keine konkreten Planungen.
Dabei wären Infrastrukturmaßnahmen wichtig. Die Hauptbahnverbindung zwischen Hanoi und Saigon ist zurzeit überwiegend einspurig. Die Anzahl der Zugverbindungen kann also gar nicht ohne weiteres erhöht werden, weil Begegnungen nur in bestimmten Bereichen möglich sind.
Auf den Straßen sieht es ähnlich aus. Die Hauptstraße zwischen Hanoi und Saigon ist – abgesehen von einigen Stadtdurchfahrten – zweispurig. Das klappt zurzeit noch einigermaßen, weil die Geschwindigkeit von Mopeds und LKW bestimmt wird. Sollte sich der Individualverkehr auch nur ein bisschen vom Moped zum Auto verlagern, würde nichts mehr gehen.
Dabei können aber noch freie Ressourcen genutzt werden. In der vietnamesischen Zeitung wurde bemängelt, dass das Transportwesen in Vietnam das teuerste in Südost-Asien ist. Es gibt 11.000 überwiegend kleine Unternehmer mit Transportlizenzen (3.000 für Personen-, 8.000 für Güterbeförderung). 70% der Rückfahrten erfolgen jedoch mit leeren LKW, weil es keine Logistik für die weitere Transport-Vermittlung gibt.
Hinsichtlich der Straßen gibt es ein deutliches Nord-Südgefälle. Um Saigon sind wir sogar auf Autobahnen gefahren. Wo die Straßen im Norden noch gebaut werden (fast die gesamte Strecke zwischen Hanoi und der Halong Bay), sind sie im Süden bereits fertig.
Das gilt z. B. auch für eine U-Bahn. während sich diese in Hanoi noch in der Planung befindet, ist in Saigon mit dem Bau bereits begonnen.
Gemeinsam ist den Metropolen die schlechte Luft. Nicht umsonst werden Gesichtsmasken verwendet. Das wirkt, als wenn sich eine Nation geschlossen zu einem Banküberfall vorbereitet. Die Masken sollen übrigens nicht nur vor dem Smog schützen, sondern auch vor der Sonne. Insbesondere bei den Asiatinnen gilt eine weiße Haut als schick.
In den Restaurants
In den Restaurants von etwas besseren Hotels kann man immer auch europäisch essen. Das ist aber deutlich teurer als die vietnamesische Küche. Ich vermute, dass es damit zusammenhängt, dass Zutaten – wie z. B. Filetsteak vom Angus – importiert werden und möglicherweise mit Eingangsabgaben belastet sind.
Es gibt ein klares Stadt/Land-Preisgefälle. In Hanoi war das Hotelrestaurant am teuersten (und nicht besonders gut). Hier konnte man aber auch leicht auf andere Restaurants ausweichen. In Hue, Hoi An, Nha Trang oder Dalat und auch in Saigon konnten wir selbst in den Hotel-Restaurants vietnamesische Gerichte für ca. 8 Euro bestellen; das Essen war immer gut, teilweise exzellent. Für ein Bier ist in den Hotels mit ca. 3 Euro zu rechnen. Wein ist überall relativ teuer. Ein Glas mit 0,1 liegt regelmäßig über 6 Euro. Dabei gibt es einheimischen Wein; den haben wir aber nur in Dalat bekommen. Der kostet weniger als die Hälfte und ist nicht schlecht.
In den typischen kleinen Restaurants wird man auch für 1,50 Euro satt. Dabei kann es durchaus passieren, dass man als Europäer andere Preise zahlt; es bleibt aber billig, wie auch das Ambiente und die Hygiene …
Wohnungen und Grundstücke
Die Grundstückspreise in den Städten explodieren. Vor einigen Jahren kostete eine Wohnung in Nha Trang noch 2.000 Dollar, heute sind es 50.000 Dollar.
In Saigon im Zentrum belaufen sich die Mieten für eine Wohnung auf mehr als ein Durchschnittsgehalt. Unser vietnamesischer Begleiter – er sprach offensichtlich von seiner eigenen Situation, ohne das ausdrücklich zu sagen – teilte sich eine 100qm-Wohnung mit etwa 10 Personen. Das sei normal in Saigon. Der Wunsch möglichst im Zentrum zu wohnen ist groß. Eine kleine Siedlung mit Wellblechhütten am Mekong soll aufgelöst und die Leute in neu gebaute Blocks an der Peripherie umgesiedelt werden. Die Leute wehren sich mit Händen und Füßen.
Sprache
Schon im 18. Jahrhundert hat ein französischer Missionar für die Schriftsprache eine Alphabetisierungsnorm entwickelt (mit unglaublich vielen Akzenten oben und unten, die die Aussprache regeln). Die Wörter im vietnamesischen sind nie länger als fünf Buchstaben. So sind z. B. auch die Städtenamen Ha Noi und Sai Gon eigentlich jeweils zwei Wörter. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde diese Schriftsprache auch verbindlich eingeführt.
Einer unserer vietnamesischen Begleiter hat uns über seine Sprache aufgeklärt. Das ist total einfach: Es gibt keine Zeiten, keine Konjugationen. Verben werden immer im Infinitiv verwendet. Das muss man sich etwa so vorstellen:
- Er gehen Hause heute
- Wir gehen Hause gestern
Es ist ja klar, was Vergangenheit, was Einzahl und was Mehrzahl ist. Die Schwierigkeit liegt aber in der Aussprache. Es gibt unglaublich viele gleiche Wörter, die sich aber in der Aussprache, insbesondere in der Tonhöhe unterscheiden. Das ist für uns eine Herausforderung. Es hat jedenfalls immer zur Erheiterung beigetragen, wenn ich Bestellungen in der Landessprache versucht habe.
Die Asiaten
Für uns sehen ja alle Asiaten irgendwie gleich aus. Natürlich haben wir versucht herauszubekommen, ob es sich bei Gruppen, denen wir begegnet sind, um Vietnamesen, Chinesen, Thais oder was auch immer handelt. Beim Besuch des Palastes der Wiedervereinigung wies unser vietnamesischer Begleiter auf eine andere Reisegruppe und meinte „Koreaner“. Das war die Chance; ich fragte ihn, woran er das erkennt: „An der Sprache“. Immerhin beruhigend, dass er da auch nicht weiter ist als wir.
Aber: Nord-Vietnamesen können wir schon von denen aus den Süden unterscheiden. Die Hautfarbe ist im Norden generell heller als im Süden, die Sprache klingt härter; im Süden ist der Dialekt weicher. Unser vietnamesischer Begleiter im Süden, Herr Dung, wollte uns in einem Restaurant helfen. Er meinte, dass er auch aufpassen muss, dass er keine Touristen-Preise bezahlt, da man ihn sowohl an der Hautfarbe als auch am Dialekt als Mann aus Saigon erkennen würde – weniger als 300 km von seiner Heimat entfernt.